Einen wahren Rundumschlag über aktuelle Felder und Fragestellungen der Genderpolitik lieferte Thomas Krüger, Präsident der Bundeszentrale für politische Bildung, in seiner Begrüßungsrede. Vom antiken Griechenland bis heute spannte er seinen Bogen von historischer Unterdrückung der Frauen und anderer Gruppen bis zu den heute herrschenden Missständen. Er betonte, dass die bpb die aktuellen Diskussionen anfeuern möchte, sich bereits intensiv mit den anstehenden Themen beschäftigt und politische Forderungen stellt, so auch mit diesem Kongress. Aktuelle Politik, so sein Statement, blende viele wichtige Forderungen aus. Er schloss seine Rede mit Judith Butler: für sie heiße "queer sein" nicht Identitätspolitik, sondern das Schließen aktiver Bündnisse gegen Sexismus, Rassismus, usw.
Anschließend stellte Prof. Claudia Neusüß die kanadische Psychologin Susan Pinker vor, die einen Vortrag über ihre Thesen zu erfolgreichen Männern und erfolglosen Frauen hielt, welcher an ihr 2008 erschienenes Buch "The Sexual Paradox" anknüpfte. Ihren Thesen nach gibt es mit Männern und Frauen zwei biologische Geschlechter, die zwar gleiche Rechte haben sollen, aber von Geburt an grundlegend verschieden sind. Ihre Thesen untermauerte sie mit aktuellen Forschungsergebnissen aus ihrer Hirnforschung.
Ist der Mann die richtige Norm? Dies war eine Frage von Pinker an das Publikum. Männer hätten ein höheres Suizidrisiko, seien von Geburt an schwächer und litten häufiger an Krankheiten als Frauen, so Pinker. Auch gebe es bei Männern mehr extreme Persönlichkeiten als bei Frauen: "No female Mozart, no female Jack the Ripper" zitierte Pinker Camille Paglia, um ihre Thesen zu fehlenden weiblichen extremen Persönlichkeiten zu betonen.
Entsprechend Pinkers umstrittenen Thesen gestaltete sich auch die anschließende, von Frau Neusüß moderierte Diskussion kontrovers. Eine sich auf Pinkers biologistischen Ansatz beziehende Frage war jene nach der Wahlfreiheit ("freedom of choice"). Wenn man, so wie Pinker, mit noch vor der Geburt festgelegten Eigenschaften zweier biologischer Geschlechter argumentiere, bliebe die Wahlfreiheit von Individuen auf der Strecke. Frau Pinker konterte, dass Wahlfreiheit zwar wichtig sei, dass allerdings in Ländern, in denen keine Frauenförderung betrieben werde, die Frauenquoten in klassischen Männerdomänen besonders hoch seien, da den Frauen keine Wahl gelassen werde.
Ein weiterer Kommentar betonte die Gefahr, in eine Falle zu laufen, wenn man so wie Pinker Gleichstellungspolitik durch Biologie zu betreiben versuche, wo doch in der Vergangenheit biologistische Erklärungsansätze eher dazu verwendet wurden, Menschen nach vermeintlichen Kriterien abzuwerten. Pinker betonte im Fortlauf der Diskussion, dass Politik und (biologistische) Wissenschaft nicht getrennt gehalten werden sollten - im Gegenteil.
Ob wir wirklich die Wahl haben, blieb als Frage im Raum zurück. Wir hoffen, dass wir sie im Laufe der Konferenz noch beantworten können.
(Svenja Schröder)