Fünf Expertinnen und ein engagiertes Publikum mit verschiedenen Backgrounds diskutierten im 3. Stock des dbb forums über das Spannungsfeld zwischen prekären Arbeitsverhältnissen und Selbstverwirklichung.
Julia Seeliger startete das Podium mit einer kurzen Selbsteinschätzung der Teilnehmer. Sie stellte Fragen wie "Wer ist momentan von Ihnen beschäftigt / befristet beschäftigt / freiberuflich tätig?" und die entsprechenden TeilnehmerInnen konnten aufstehen oder sitzenbleiben, je nach Selbsteinschätzung. Das Bild ergab, dass bei weitem nicht alle TeilnehmerInnen im Raum eine feste Stelle haben - viele sind auch befristet eingestellt oder freiberuflich tätig.
So stellte sich auch für die TeilnehmerInnen im Raum die Frage, inwieweit der zur Zeit stattfindende gesellschaftliche Umbruch von Entsicherung und Destabilisierung sozialer Verhältnisse besonders im Erwerbssektor auf sie zutrifft. Neben dieser These brachte Frau Hildegard-Maria Nickel von der Humboldt-Universität zu Berlin auch ein, dass dies besonders bei Frauen in einem Paradoxon ende: Die Versprechung, durch die zunehmende Einbindung in Erwerbsarbeit eine höhere soziale Teilhabe zu erhalten, gehe nicht auf. Strukturelle Benachteiligungen für Frauen blieben trotzdem noch bestehen (an dieser Stelle sei als Beispiel der Gender Pay Gap genannt).
Isabell Lorey von der Humboldt-Universität zu Berlin fragte sich, ob man von einer Feminisierung der Arbeit sprechen kann, in der prekäre Arbeitsverhältnisse normal werden und Arbeit und Privatleben fließend ineinander übergehen. Desweiteren sprach sie auch über eine mögliche Selbstermächtigung und Selbstverwirklichung durch die Wahl prekärer Verhältnisse, beispielsweise freiberufliche Arbeit, Beschäftigungsmodelle jenseits der festen Festanstellung oder Teilzeitjobben. Dabei unterstrich sie, dass die oft betonte Autonomie dieser Menschen nur selten etwas mit Emanzipation zu tun habe, sondern zu Ausbeutung führe und die Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit aufweiche.
Auf die Situation der migrantischen Arbeiterinnen ging Esra Erdem ein. Sie sprach über türkischenMigrantinnen in der BRD und verwies auf deren Kämpfe und Freiräume. Dabei erwähnte sie besonders die fortschreitende Entsicherung der migrantischen Frauen, die sie mit einer Beschäftigungsquote von 75% im Jahre 1967 auf eine Quote von nur 25% im Jahre 1998 belegte.
In der anschließenden Diskussion wurde über mögliche BündnispartnerInnen, Widerstandsfinstrumente und Strategien zur Abwendung der fortschreitenden Prekarisierung von Arbeitsverhältnissen. Einig waren sich Referentinnen und Publikum in weiten Teilen darüber, dass reine Frauenbündnisse nicht mehr ausreichen und die "neuen Männer" und Institutionen wie Gewerkschaften mit ins Boot geholt werden müssten. Auch seien Instrumente wie Quoten oder Volksbegehren nicht ausreichend, um nachhaltig etwas an der vorherrschenden Prekarisierung von Frauen zu ändern. Es müsse mehr darüber gesprochen werden, was "gute Arbeit" eigentlich sei und wie sich "gute Arbeit" in ein "gutes Leben" integrieren lasse. Hildegard-Maria Nickel begegnete dieser Frage mit Optimismus: Die Krise könne als Chance genutzt werden, um ganzheitlichere Lebensentwürfe am "ganzen Leben" zu entwerfen.
Zum Schluss stellte Isabell Lorey noch treffend fest, dass das Wissen um die Abwendung prekärer Verhältnisse auch aus der Universität zu den Menschen getragen werden muss, die sich in prekären Verhältnissen befinden. Nur so können die betroffenen Menschen Strategien gegen Angst entwickeln. Ein Dialog muss also stattfinden und wird es hoffentlich auch.
(Svenja Schröder)
Julia Seeliger startete das Podium mit einer kurzen Selbsteinschätzung der Teilnehmer. Sie stellte Fragen wie "Wer ist momentan von Ihnen beschäftigt / befristet beschäftigt / freiberuflich tätig?" und die entsprechenden TeilnehmerInnen konnten aufstehen oder sitzenbleiben, je nach Selbsteinschätzung. Das Bild ergab, dass bei weitem nicht alle TeilnehmerInnen im Raum eine feste Stelle haben - viele sind auch befristet eingestellt oder freiberuflich tätig.
So stellte sich auch für die TeilnehmerInnen im Raum die Frage, inwieweit der zur Zeit stattfindende gesellschaftliche Umbruch von Entsicherung und Destabilisierung sozialer Verhältnisse besonders im Erwerbssektor auf sie zutrifft. Neben dieser These brachte Frau Hildegard-Maria Nickel von der Humboldt-Universität zu Berlin auch ein, dass dies besonders bei Frauen in einem Paradoxon ende: Die Versprechung, durch die zunehmende Einbindung in Erwerbsarbeit eine höhere soziale Teilhabe zu erhalten, gehe nicht auf. Strukturelle Benachteiligungen für Frauen blieben trotzdem noch bestehen (an dieser Stelle sei als Beispiel der Gender Pay Gap genannt).
Isabell Lorey von der Humboldt-Universität zu Berlin fragte sich, ob man von einer Feminisierung der Arbeit sprechen kann, in der prekäre Arbeitsverhältnisse normal werden und Arbeit und Privatleben fließend ineinander übergehen. Desweiteren sprach sie auch über eine mögliche Selbstermächtigung und Selbstverwirklichung durch die Wahl prekärer Verhältnisse, beispielsweise freiberufliche Arbeit, Beschäftigungsmodelle jenseits der festen Festanstellung oder Teilzeitjobben. Dabei unterstrich sie, dass die oft betonte Autonomie dieser Menschen nur selten etwas mit Emanzipation zu tun habe, sondern zu Ausbeutung führe und die Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit aufweiche.
Auf die Situation der migrantischen Arbeiterinnen ging Esra Erdem ein. Sie sprach über türkischenMigrantinnen in der BRD und verwies auf deren Kämpfe und Freiräume. Dabei erwähnte sie besonders die fortschreitende Entsicherung der migrantischen Frauen, die sie mit einer Beschäftigungsquote von 75% im Jahre 1967 auf eine Quote von nur 25% im Jahre 1998 belegte.
In der anschließenden Diskussion wurde über mögliche BündnispartnerInnen, Widerstandsfinstrumente und Strategien zur Abwendung der fortschreitenden Prekarisierung von Arbeitsverhältnissen. Einig waren sich Referentinnen und Publikum in weiten Teilen darüber, dass reine Frauenbündnisse nicht mehr ausreichen und die "neuen Männer" und Institutionen wie Gewerkschaften mit ins Boot geholt werden müssten. Auch seien Instrumente wie Quoten oder Volksbegehren nicht ausreichend, um nachhaltig etwas an der vorherrschenden Prekarisierung von Frauen zu ändern. Es müsse mehr darüber gesprochen werden, was "gute Arbeit" eigentlich sei und wie sich "gute Arbeit" in ein "gutes Leben" integrieren lasse. Hildegard-Maria Nickel begegnete dieser Frage mit Optimismus: Die Krise könne als Chance genutzt werden, um ganzheitlichere Lebensentwürfe am "ganzen Leben" zu entwerfen.
Zum Schluss stellte Isabell Lorey noch treffend fest, dass das Wissen um die Abwendung prekärer Verhältnisse auch aus der Universität zu den Menschen getragen werden muss, die sich in prekären Verhältnissen befinden. Nur so können die betroffenen Menschen Strategien gegen Angst entwickeln. Ein Dialog muss also stattfinden und wird es hoffentlich auch.
(Svenja Schröder)
J. Seeliger, Daniela Rastetter, Iris Kronenbitter |
Hildegard-Maria Nickel, Humboldt-Universität zu Berlin |
Julia Seeliger, taz die tageszeitung |