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Samstag, 30. Oktober 2010

Zweisame Demokratie? Interview mit Ins A Kromminga


Ins A Kromminga ist Künstler_in und Aktivist_in in der Internationalen Vereinigung intergeschlechtlicher Menschen. Nachdem sie_er in Forum 9 über die Grenzen und Ausschlüsse der zweigeschlechtlichen Ordnung gesprochen hatte, bat ihn_sie Missy noch mal zur Privataudienz.

Von Sonja Erkens

Missy Magazine: Liebe...r, äh...ich weiß jetzt gar nicht, wie ich Dich ansprechen oder über Dich schreiben soll... Welche Pronomen sind Dir denn am liebsten, Du bezeichnest Dich ja als „eindeutig zwischengeschlechtlich“...

Kromminga: Schriftlich gibt es ja mittlerweile den Unterstrich, also die gap-Schreibweise; im Panel haben wir versucht, das auch so zu sprechen, also beispielsweise „Sprecher_innen“ zu sagen. Bei Pronomen benutze ich meistens Doppelungen, also „der_die Sprecher_in“ – wichtig ist mir dabei, immer auf den Unterstrich hinzuweisen, der einen Raum zwischen den Geschlechtern anzeigt.

Missy Magazine: Und wie funktioniert das in der Praxis, also auf welche Resonanz stößt Du damit? Wir haben ja im Forum gehört, dass das gesellschaftliche Bewusstsein um Menschen jenseits des polaren Geschlechterkonzeptes eher gering ist.

Kromminga: Ja, die meisten Menschen akzeptieren das zwar und bemühen sich, mich nicht als Frau oder Mann anzusprechen – dass es ihnen trotzdem nicht leicht fällt, mich auch tatsächlich nicht als Frau oder Mann, sondern als etwas dazwischen zu sehen, zeigt sich dann aber doch meistens darin, dass sie sich verhaspeln oder in einer Situation „er“ und wenige Momente später „sie“ sagen. (lacht) Über diese Verwirrung freue ich mich aber eigentlich eher.

Missy Magazine: Auch innerhalb feministischer Diskurse geht es ja häufig sehr identitätspolitisch zu, also besteht der Anspruch, ganz generell „Fraueninteressen“ zu diskutieren oder zu vertreten. In welcher Rolle siehst Du Dich, die_der Du ja keine Frau bist, auf diesem Kongress?

Kromminga: Also ich finde es erstmal super, dass wir hier einen Raum haben, um darauf hinzuweisen, dass die Idee von queer eben weiter geht und gehen muss, als vielleicht die feministische, die sich meistens nur auf die Gruppe der „Frauen“ bezieht. Identitätspolitik finde ich aber völlig okay, wir arbeiten ja auch identitätspolitisch und sagen von uns, dass wir inter*, trans* beziehungsweise queer sind. Mir ist dabei wichtig, dass diese inter*, trans* und sonstige queer-Identitäten, die wir uns ja auch erst erarbeiten mussten, einen gleichberechtigten Status bekommen wie „männlich und weiblich“ – denn eine generelle Kritik der Heteronormativität ist für alle Menschen sinnvoll!

Missy Magazine: Liegt da nicht noch ein ziemlich langer Weg vor Euch? „Feministinnen“ wie Susan Pinker, die hier auch einen Vortrag gehalten hat, vertreten ja nach wie vor die Ansicht, Geschlecht sei biologisch bestimmbar, was sich an verschiedenen Gehirnschemata von Mädchen und Jungen beweisen ließe...

Kromminga: Bei solchen biologistischen Erklärungen reagiere ich erstmal allergisch (lacht): Wieso soll ich mir von Naturwissenschaftler_innen erklären lassen, wer oder was ich bin?! Aber das wurde ja auch im Panel thematisiert, dass die Biologie Menschen kategorisiert und für krank erklärt und eben nicht danach fragt, wie sich diese Menschen selbst sehen oder als was sie sich empfinden. Für meine Begriffe hat aber die Kultur einen viel größeren Stellenwert bei der Beantwortung der Frage, was uns als Menschen ausmacht.

Missy Magazine: Vielen Dank für das Gespräch!