von Svenja Schröder und Sabine Rohlf
Es war nicht anders zu erwarten: bei einem Panel mit einem solch brisantem Thema war der Raum voll, als Nana Adusei-Poku die TeilnehmerInnen begrüßte. Um alle Anwesenden auf das Thema einzustimmen, zeigte die Promovendin im Graduiertenkolleg "Geschlecht als Wissenskategorie" an der HU Berlin in ihrer Einführungspräsentation Werbebilder mit Pornoreferenzen, die in unserer Konsumwelt zum Alltag gehören: z.B. phallusartige Lippenstifte und schamverhüllende Parfumflakons. Dabei stellte sie mehrere Fragen: Wer wird hier eigentlich befriedigt? Sind DIY-Pornos die neue sexuelle Revolution? Und welche Auswirkungen hat die Bildersprache von Porno auf unsere Sexualität und unsere Beziehungen?
Johannes Gernert bei seinem Input-Vortrag |
Den ersten Inputvortrag hielt Silja Matthiesen vom Zentrum für Psychosoziale Medizin Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf und zwang dem Veranstaltungstitel zwei Fragezeichen auf: "Bin ich Porno? - Eine neue sexuelle Revolution?" Sie berichtete von ihrer Studie zu Jugendsexualität und den Auswirkungen von Pornografie auf Jugendliche. Jenseits von Medienberichten, wie dem 2007 erschienenen Stern-Artikel "Voll Porno! Wenn Kinder nicht mehr lernen, was Liebe ist", lässt Matthiesen die Jugendlichen und nicht die Medien sprechen. Ihren Befunden zufolge gehören Pornos heutzutage mehr und mehr zum Alltag der Jugendlichen, wobei eher Jungen als Mädchen pornografisches Material konsumieren. Ihr Fazit dazu ist, dass die Normalisierung von Pornografie dazu führt, dass die Jugendlichen gelassen und sogar belustigt Sexszenen gucken können, ohne direkt alles zwanghaft nachzunahmen. Sie spricht hierbei von sexueller Zivilisierung der Jugendlichen.
Linda Hentschel und Antke Engel |
Johannes Gernert, Autor des 2010 erschienenen Buches "Generation Porno", ging näher auf die von Pornografie veränderten Körperbilder von Jugendlichen ein. Seine Frage war, ob sich Jugendliche heute in Zeiten von StudiVZ und Youporn stärker mit ihrem eigenen Körper beschäftigen. Für ihn ist Pornographie auch eine Form der Inszenierung – man tut so, als wäre es echter Sex, aber mit großer Show drumherum. Leider wurde trotz einiger Statistiken in seinem Vortrag nicht klar, ob Pornographie Körperbilder von Jugendlichen beeinflusst oder nicht.
Antke Engel bei ihrem Vortrag |
Intensiv diskutiert wurde nach der Pause das Statement von Antke Engel, der Leiterin des Queer Instituts Berlin, insbesondere ihre Ausführungen zu Gesetzesinitiativen gegen Frauenhandel und Genitalverstümmelung. Sie reproduzierten ihrer Meinung nach die problematische Opposition „der westlichen Zivilisation gegen das unzivilisierte andere“, zementierten so die Binarität zwischen weiblichem Opfer und männlichem Retter und seien entsprechend zu kritisieren. Das provozierte einigen Widerspruch, da es wichtig sei, gegen solche Formen von Gewalt gegen Frauen anzugehen. Dass es gar nicht um das Ob, sondern um das Wie ging, zeigte sich spätestens bei dem Beispiel, das Linda Hentschel in die Diskussion einführte: Am Beispiel eines Time Magazine-Titels erläuterte sie, wie ein Bild einer im Gesicht verstümmelten Frau mit Kopftuch zum Zwecke der westlichen Kriegspropaganda missbraucht wurde ("What happens if we leave Afghanistan").
Zahlreiche Wortmeldungen |
Auch die Frage, inwieweit Pornos oder sexualisierte Bilder im Netz nicht auch der (z.B. weiblichen) Selbstermächtigung dienen können oder einen Raum für nicht normgerechte Geschlechter und Begehrensformen eröffnen, wurde ziemlich lebhaft diskutiert. Dabei zeigte sich, dass sich Theorie und Empirie ziemlich gut verständigen können. Die eher diskurstheoretischen Überlegungen von Hentschel und Engel ließen sich bestens mit denen von Johannes Gerner und Silja Matthiesen verbinden. Das läuft bekanntlich nicht immer so gut und war an dieser Stelle sehr produktiv.
Nana Adusei-Poku und Johannes Gernert |
Linda Hentschel |
Die Frage, wer jetzt Porno ist, wurde nicht beantwortet. Was aber auch nicht so schlimm ist, denn Nana Adusei-Poku betonte direkt zu Anfang, dass dieses Panel nicht die Frage lösen könne, was Porno denn nun sei. Da bleibt uns nur noch, Manuela Kay (Chefredakteurin der Zeitschrift L-Mag) zu zitieren, die auf der Konferenz „Gender Happening“ des Gunda-Werner-Instituts die Subjektivität solcher Aussagen betonte: "Guter Porno ist das, was mir gefällt."
Das Publikum diskutiert rege mit |